Rundgänge durch die
„Sieben-Gemeinden“
und die Gemeinden des Südburgenlandes

Eisenstadt | Kittsee | Gattendorf | Frauenkirchen | Mattersburg | Kobersdorf | Lackenbach | Deutschkreutz | Lockenhaus | Rechnitz | Stadtschlaining | Oberwart | Güssing

Die ersten sicheren Spuren jüdischen Lebens auf dem Gebiet des heutigen Burgenlandes führen in das 13. Jahrhundert. Der Beginn einer kontinuierlichen jüdischen Besiedlung ist jedoch erst ab dem zweiten Drittel des 17. Jahrhunderts nachzuweisen. Am bekanntesten unter den jüdischen Gemeinden des Burgenlandes, das bis 1921 zu Ungarn gehörte, sind die sogenannten „Sieben-Gemeinden“: Eisenstadt, Mattersburg, Kittsee, Frauenkirchen, Kobersdorf, Lackenbach und Deutschkreutz. Diese standen unter dem Schutz der Adelsfamilie Esterházy und werden hebräisch „Scheva Kehillot“ („Sieben-Gemeinden“) genannt. Die Kultusgemeinde Gattendorf wurde vom Kittseer Rabbiner mitbetreut. Um die Mitte des 17. Jahrhunderts entstanden auf dem Gebiet des heutigen Südburgenlands unter dem Schutz der Fürsten bzw. Grafen Batthyány die drei jüdischen Gemeinden Rechnitz, Stadtschlaining und Güssing und die auf heute ungarischem Boden liegenden zwei Gemeinden Körmend und Nagykanizsa. Später wurde im Jahr 1929/30 die israelitische Kultusgemeinde Oberwart gegründet.
Die Schutzbriefe, die immer wieder erneuert wurden, regelten auf Vertragsbasis bis ins kleinste Detail die Rechte und Pflichten der jüdischen Untertanen. Um den Schutz auch tatsächlich genießen zu dürfen, mussten Jüdinnen und Juden Schutzgebühren zahlen. Mit der Revolution von 1848 endete das Abhängigkeitsverhältnis von den jeweiligen Grundherren, aus „Schutzjuden“ wurden ungarische StaatsbürgerInnen, die 1860 Niederlassungsfreiheit erhielten. Das Ziel der staatsbürgerlichen Gleichstellung wurde formell allerdings erst durch das Staatsgrundgesetz von 1867 erreicht.
Die nach Ende des Ersten Weltkrieges zwischen den Siegermächten Österreich und Ungarn ausverhandelte Angliederung des heutigen Burgenlandes an Österreich im Jahr 1921 wurde von einem Großteil der in dieser Region lebenden jüdischen Bevölkerung begrüßt. Die Gründe lagen zum einen in der deutschsprachigen Herkunft. Zum anderen waren auch die Übergriffe ungarischer Freischärlerverbände gegen Juden und Jüdinnen in der Phase der bewaffneten Auseinandersetzungen um das Burgenland, sowie der programmatische Antisemitismus in Ungarn unter Miklós Horthy, Gründe für sie, die Angliederung an Österreich gutzuheißen.
Vor der Verfolgung und Vertreibung der burgenländischen Juden und Jüdinnen im Jahr 1938 existierte ein sehr reges Gemeindeleben. Es äußerte sich u.a. in einer Reihe religiöser, humanitärer und gesellschaftlicher Vereine. So gab es eine große Anzahl von Bet-, Frauen-, Wohltätigkeits-, Jugend-, Spar- und Fortbildungsvereinen.
Um die Mitte des 19. Jahrhunderts lebten auf dem Gebiet des heutigen Burgenlandes etwa 8.000 Jüdinnen und Juden. Um 1880 setzte jedoch eine Abwanderung vieler jüdischer BürgerInnen aus den jüdischen Gemeinden in die wirtschaftlichen Zentren nach Budapest, Wien und Graz ein. Bei der Volkszählung im Jahr 1934 wurden im Burgenland 3.632 jüdische EinwohnerInnen gezählt.
Antisemitische Übergriffe auf die jüdische Bevölkerung oder ihre Einrichtungen gab es seit ihrer Ansiedlung auch im Burgenland. Doch nach dem Ersten Weltkrieg bekam der Antisemitismus neue Formen. Träger waren vor allem deutschnationale Gruppen, die Christlichsoziale Partei und die katholische Kirche in Österreich, aber auch Teile der Sozialdemokratischen Partei und die Ideologie während der Zeit des autoritären Regimes unter Dollfuß und Schuschnigg. Der Antisemitismus der Nationalsozialisten hatte jedoch die schrecklichsten Auswirkungen.
Bereits am Morgen des 11. März 1938 fanden organisierte Aufmärsche der Ortsgruppen der NSDAP im Burgenland statt. Trotz der Illegalität hatte sich die NSDAP gut organisieren können. Die Machtübernahme der Nationalsozialisten erfolgte im Burgenland, so wie in den anderen Bundesländern auch, noch am Tag vor dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht.
Als der NS-Landeshauptmann Tobias Portschy am 2. April 1938 forderte, im Burgenland neben der „Agrarreform“ und der „Zigeunerfrage“ auch die „Judenfrage“ mit „nationalsozialistischer Konsequenz“ zu lösen, bedeutete dies das endgültige Aus einer dreihundertjährigen kontinuierlichen jüdischen Geschichte des jüngsten Bundeslandes Österreichs. Die burgenländischen Jüdinnen und Juden wurden nur wenige Tage nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten unter Drohungen und körperlicher Gewalt zum Verlassen ihrer Heimat aufgefordert. Systematische Vertreibungen und in einigen Fällen kollektive Transporte nach Wien oder über die Grenze ins Ausland folgten.
Nach 1945 kehrten nur mehr sehr wenige jüdische Familien ins Burgenland zurück und heute gibt es, verstreut über das ganze Burgenland, kaum ein Dutzend Jüdinnen und Juden. Von den etwa 3.900 im Jahr 1938 im Burgenland ansässigen Personen jüdischer Herkunft wurde rund ein Drittel in der Shoah ermordet. Der Großteil konnte in die USA, in das Vereinigte Königreich, nach Israel, Argentinien und andere Länder flüchten.


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