Forschungstag 1999

5. November 1999 / Hotel- und Konferenzzentrum Burg Schlaining

GLOBAL.REGIONAL.LOKAL. Chancen und Risiken für die Kultur in der Region

Die seit 1945 beschleunigte Internationalisierung praktisch aller Bereiche gesellschaftlichen Handelns ist zu einem globalen Prozeß geworden. Nationalstaaten müssen in zunehmenden Maße ihre Souveränität an transnationale Akteure abgeben. Antworten auf diese Globalisierungsprozesse suchte in den 70er Jahren die Diskussion um Regionalisierung und regionale Identität. Während die damalige Debatte als Widerstand gegen zeitgenössische wirtschaftliche und politische Entwicklungen der Internationalisierung gewertet werden kann, wird heute von den Akteuren der Globalisierung selbst das Regionale zum Spielball ihrer Überlegungen und Strategien. Bei gleichzeitiger Vereinheitlichung von Standards und Normen, gibt die Europäische Union die Parole vom "Europa der Regionen" aus – ein supranationaler Akteur als Globalisierer und Förderer der Regionalisierung ? Transnationale Unternehmungen entdecken Regionen als Produktionsstandorte, Absatzmärkte und als Ressource lokaler und regionaler Kulturen für den Tourismus – Global Player als Bewahrer regionaler Kulturen und Identität?
Der Burgenländische Forschungstag 1999 versucht eine diskursive Annäherung an die Widersprüche und Symbiosen welche die Globalisierungs- und Regionalisierungsprozesse miteinander verbinden. Dabei wird das Augenmerk auf Fallbeispiele aus dem Burgenland und anderen Regionen gerichtet sein, ohne dabei den Blick auf theoretische Betrachtungen aus der Sicht verschiedener wissenschaftlicher Ansätze zu vergessen.
Ausgehend vom weitgefaßten Begriff der Kultur als "whole way of life" und Bedeutungssystem soll den Fragen nach in diesen Spannungsverhältnissen stehenden kulturellen Prozessen und Auswirkungen nachgegangen werden. Sich neuorientierende Identitäten, Veränderungen in der politischen und gesellschaftlichen Hegemonie, der Wandel der kulturellen Praxis und verändertes Verstehen und Interpretieren kultureller Codes, sind Entwicklungen, die regionale (Grenz)Gebiete gegenwärtig in verstärktem Ausmaß betreffen.
Die Fragen zur Globalisierung und Regionalisierung können aber nicht unabhängig voneinander diskutiert werden; Zusammenhängen und Relationen dieser aufeinander wirkenden Prozesse sind in der Diskussion zu berücksichtigen. Dabei sind zwei sich polarisierende Standpunkte auszumachen, zwischen denen sich ein breitgefächertes Spektrum an Auffassungen erkennen läßt:

Die Globalisierung als Innovationsschub

Für regionale (Grenz)Gebiete wird die Globalisierung als innovativ angesehen, da diese Regionen aus der Abgeschiedenheit ökonomischer, sozialer und kultureller Nischen herausgelöst werden können. Regionen die bisher an der Peripherie gelegen sind, werden in die globalen Vorgänge integriert und können an ökonomischen und kulturellen Entwicklungen partizipieren. Das Regionale und Lokale gewinnt an Attraktivität und kann in die Welt hinausgetragen werden.

Die Globalisierung ist eine "Falle"

Globalisierung ist ein Prozeß, der regionalen Räumen keinen Spielraum für eigenständige Entwicklungen läßt. Die totale Mobilität des Kapitals erlaubt noch schnellere und größere Profite zu Lasten regionaler (Grenz)Gebiete, die mit den "Global Players" nicht mithalten können. Neben den ökonomischen Auswirkungen zeigt die Globalisierung auch verändernde negative Wirkungen auf regionale Kulturen; die Menschen werden ihrer Traditionen und kulturellen Wurzeln beraubt. Regionale und lokale Kulturen werden zu einer von anderen Regionalkulturen nicht mehr unterscheidbaren einheitlichen globalen Kultur nivelliert. Das Burgenland, Ziel 1 Gebiet in der EU, ist in den letzten Jahren vom "Nachzügler" zum "Überholer" unter den österreichischen Bundesländern avanciert. Burgenländische Technologieparks ziehen internationale Unternehmungen an und beginnen die ökonomische und technologische Landschaft in Teilen des Burgenlands umzubauen. Das Burgenland ist zur Zeit daran, sein Image der "verträumten, rückständigen, agrarischen Provinz" abzulegen. Gleichzeitig plaziert die Burgenländische Tourismuswerbung das Burgenland als Nische in der globalisierten Welt der Arbeit mit dem Slogan: "Wo der Alltag endet, beginnt das Burgenland". Zwischen High-Tech-Parks und Fun-Sport-Events leben aber jene Menschen, die diesen Prozessen mit Hoffnung, Skepsis und Ablehnung begegnen, die sich in alten und neuen kulturellen Kontexten suchen und finden, und die ihre Identität(en) festigen, repositionieren oder neuerfinden.

Als Denkanstoß sollen die folgenden Fragenkomplexe stehen:

Globale Kultur – ideologisches Konstrukt oder Wirklichkeit?
Regionalkultur – Bewahrerin vor Internationalisierung oder Potential für Innovationen

Interpretation von Kultur als Bedeutungssystem im globalen und regionalen Kontext

Kulturtransfer zwischen globalen, regionalen und lokalen Kulturen

Kulturelle Identität – Konzept gegen die Dominanz der Mehrheit oder "Blut und Boden" im neuen Kleid

Neue Heimaten: globale und erfundene Identitäten

Werden regionale/lokale historisch-kulturelle Bedeutungen obsolet?

Fallbeispiele aus dem Burgenland:

Tourismusregion Neusiedlersee: leben mit/von/zwischen Techno-Party und Nationalpark

Kulturveranstalter als Identitätsstifter? - die KUGA in Großwarasdorf