Die jüdische Gemeinde Frauenkirchen

Garten der Erinnerung

  Video: Herbert Brettl über die Synagoge
  Video: Herbert Brettl über den jüdischen Friedhof

1. Gedenkstätte „Garten der Erinnerung“ (zum Video)
2. „Rosenfeld Mühle“
3. Gemischtwarenhandel der Brüder -Rechnitzer
4. Kaufhaus Schey – „Schey-Eck“
5. Schuhgeschäft Kalisch
6. Apotheke von Julius Sugar
7. Textilhandlung Markus Deutsch
8. Teil des früheren Meierhofs – „Schlössl“, Anhaltelager im März 1938
9. Getreidehandlung Neufeld und Wäschegeschäft Sidonie Detre
10. Jüdischer Friedhof (zum Video)

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Nach der Zwangsausweisung der Juden und Jüdinnen aus Mönchhof durch den Abt des Klosters Heiligenkreuz, zu dessen Herrschaft Mönchhof gehörte, erlaubte Graf Paul Esterházy den Jüdinnen und Juden die Übersiedlung nach Frauenkirchen. 1712 befanden sich in Frauenkirchen 16 Häuser in jüdischem Besitz, zahlenmäßig erreichte die jüdische Gemeinde 1876 mit 864 jüdischen BewohnerInnen ihren Höhepunkt. Die jüdische Gemeinde machte zu diesem Zeitpunkt etwa ein Drittel der Gesamtbevölkerung aus. Das Wohn- und Geschäftsviertel der jüdischen Familien lag im Tempelviertel und in den umgebenden Straßenzügen, vor allem an der Hauptstraße und in der Franziskanerstraße. Ende des 19. Jahrhunderts verstärkte sich auch in Frauenkirchen die Abwanderung jüdischer Familien in die Städte, die Zahl der in der Gemeinde ansässigen jüdischen Bevölkerung sank kontinuierlich. Im Jahr 1934 lebten nur mehr 386 Juden und Jüdinnen in Frauenkirchen.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im März 1938 wurde in Frauenkirchen ein provisorisches Anhaltelager eingerichtet, in dem etwa 400 Personen inhaftiert wurden, darunter auch Juden aus Frauenkirchen und der Umgebung. Am 26. April 1938 wurden 60 Juden und Jüdinnen gezwungen das Deutsche Reich binnen 14 Tagen zu verlassen. Weil die Möglichkeiten ins Ausland zu fliehen sehr beschränkt waren, erfolgte ihre Vertreibung zumeist nach Wien. Bis 17. Mai hatten bereits 127 Personen Frauenkirchen verlassen und am 13. August 1938 befanden sich laut eines Gendarmerieberichtes nur mehr drei jüdische Familien in Frauenkirchen.
Das zurückgebliebene Eigentum wurde geplündert und sämtliche Häuser der Vertriebenen von der Gemeinde Frauenkirchen übernommen und zum größeren Teil an Privatpersonen verkauft. Zuvor mussten die jüdischen EigentümerInnen unter physischem und psychischem Druck Verzichtserklärungen unterschreiben.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und des Holocausts 1945 kam nur einer zurück, er verstarb im Jahr 2003. Von den im Jahr 1938 in Frauenkirchen wohnenden 400 Juden und Jüdinnen von Frauenkirchen, sind 123 in der Shoah umgekommen, 162 haben überlebt. Der Verbleib der restlichen Frauenkirchner Juden und Jüdinnen ist zur Zeit nicht bekannt.

Kurze Beschreibung des Rundganges

Der Rundgang beginnt bei der Gedenkstätte „Garten der Erinnerung“. An dieser Stelle stand die Synagoge, die im Jänner 1939 von den Nationalsozialisten abgerissen wurde. Informationen zur jüdischen Geschichte des Orts und über die Synagoge finden sich im Innenteil der Anlage. Von hier gelangt man zur „Rosenfeld Mühle“. Paul Rosenfeld kehrte als einziger Jude nach 1945 wieder in den Ort zurück. Auf der Franziskanerstraße im Haus Nr. 21 hatten die Brüder Rechnitzer einen Gemischtwarenhandel. Von hier gelangt man zum Kreisverkehr, wo an der Ecke auf Nr. 1 das Kaufhaus Schey stand („Schey-Eck“). Weiter in der Hauptstraße im Haus Nr. 8 befand sich das Schuhgeschäft Kalisch. Im Haus Nr. 15-17 war die Apotheke von Julius Sugar und auf Nr. 19 bot Markus Deutsch Textilien zum Kauf an. In der Amtshausgasse, gegenüber vom Rathaus, gelangt man zur Handelsakademie, einem Teil des früheren Meierhofs – „Schlössl“ genannt. In diesem Gebäudeteil wurde im März 1938 für etwa zwei Monate das Anhaltelager eingerichtet. Von da geht es wieder zur Franziskanerstraße, wo sich im Haus Nr. 5 die Getreidehandlung Neufeld und das Wäschegeschäft von Sidonie Detre befanden. Der St. Andräer Straße folgend kommt man nach ca. 400 m zum Friedhof.

Entlehnung des Schlüssels zum jüdischen Friedhof: Im Rathaus | +43 (0)2172 23000
Webseite Garten der Erinnerung: www.garten-der-erinnerung.at
Virtuelle Rekonstruktion der Synagoge Frauenkirchen: publik.tuwien.ac.at/files/PubDat_245007.pdf


Tipp:
Koschere Weiß-, Rot- und Süßweine aus der Region Neusiedlersee vom Weingut Hafner in Mönchhof (6 km von Frauenkirchen). Seit 1980 produziert das Familienweingut Hafner auch koschere Weine nach den Glaubensvorschriften des Rabbinats unter Oberrabbiner A.Y. Schwartz aus Wien.
7123 Mönchhof, Halbturnerstraße 17 | +43 (0)2173 80263 | hafner-weine@aon.at | www.hafner.co.at

Der Verein „Initiative Erinnern Frauenkirchen“

Im Dezember 2011 gründete sich der Verein „Initiative Erinnern Frauenkirchen“, der es sich zur Aufgabe machte, Erinnerungszeichen am ehemaligen Standort des jüdischen Tempels zu setzen. Bei den Erdarbeiten im März 2013 stieß man auf Gebäuderelikte. Archäologen stellten Reste der ehemaligen barocken Synagoge von Frauenkirchen sicher. Der Projektplan wurde daraufhin adaptiert. Der Gedenkgarten ist an drei Seiten von Mauern umgeben. Im Zentrum befindet sich zum Gedenken an die jüdische Gemeinde und den zerstörten Tempel eine Bronzeplastik der Künstlerin Dvora Barzilai. Ein Glaskubus schützt die Ausgrabungsstätte mit den Fragmenten der ehemaligen Synagoge und wieder aufgefundenen zerbrochenen Säulen. Ein Modell des ehemaligen jüdischen Viertels von Frauenkirchen, Fundgegenstände und Tafeln mit den Namen der vertriebenen jüdischen Familien sind weitere Elemente der Gedenkstätte. Ein digitales Informationssystem bietet den BesucherInnen Informationen in drei Sprachen.

Kontakt: Dr. Herbert Brettl
Telefon: +43 (0)699 1034 3226
E-Mail: herbert@brettl.at

Publikationen in Auswahl

[1] Brettl, Herbert: Die jüdische Gemeinde von Frauenkirchen. Halbturn 2003.
[2] Coudenhove-Kalergi, Barbara: Paul Rosenfeld – einer kam zurück. In: Plat, Wolfgang (Hg.): Voll Leben und voll Tod ist diese Erde. Bilder aus der Geschichte der Jüdischen Österreicher (1190-1945). Wien 1988, S. 327-334.
[3] Lidy, Matthias: Das Anhaltelager Frauenkirchen in seiner Rolle für die nationalsozialistische Machtübernahme im Bezirk Neusiedl am See. Dipl. Arb. Universität Wien 2014. Publikation Download
[4] Magnus, Naama G.: Auf verwehten Spuren. Das jüdische Erbe im Burgenland. Teil 1 Nord- und Mittelburgenland. Wien 2013.
[5] Reiss, Johannes (Hg.): Aus den Sieben Gemeinden. Ein Lesebuch über Juden im Burgenland. Eisenstadt [1997].
[6] Schmidt, Silvia Maria: Das Schicksal der Juden im Bezirk Neusiedl am See. 1938 - 1945. Dipl. Arb. Universität Wien 2010. Publikation Online
[7] Schwab, Benjamin: Die virtuelle Rekonstruktion der Synagoge in Frauenkirchen Dipl. Arbeit an der Technischen Universität Wien. Wien 2016. Publikation Online
Alle Interviews: Dr. Herbert Brettl, 2020.
Kamera und Ton: Justin Ramon Kodnar
Schnitt: Justin Ramon Kodnar, Michael Schreiber
Website Gestaltung und Betreuung: Gert Tschögl

Die Videos wurden von der Burgenländischen Forschungsgesellschaft im Rahmen der Europäischen Tage der Jüdischen Kultur 2020 produziert.
Medienkooperation: noviglas.online | Hrvatski akademski klub – HAK – Kroatischer akademischer Klub
In Kooperation mit: erinnern.at und Initiative Erinnern Frauenkirchen